Es fing alles mehr oder weniger harmlos an.
Wir dachen es sei wohl ein Magengeschwür oder etwas in der Art.
Er konnte auf einmal nicht mehr richtig schlucken, musste sich sogar fast nach jedem essen übergeben.
Da er noch nie ein Mensch war der ständig zum Arzt rannte, dauerte es dementsprechend lange, bis er sich endlich einen Termin bei seinem Hausarzt geben lies.
Der hatte nicht die entsprechenden Geräte vor Ort und überwies ihn zu einem Internisten.
Beim Internisten wurde eine Magenspiegelung gemacht. Doch auch dort konnte ihm der Arzt nicht sagen was er hat.
Er sagte nur: "Es tut mir leid, wir kommen mit dem Schlauch nicht bis zum Magen durch, irgendetwas blockiert Ihre Speiseröhre! Ich muss Sie in eine Spezialklinik überweisen." Nach diesem Besuch war mein Vater fest davon überzeugt, -es ist Krebs!
Keiner von uns wollte das wahr haben und wir versuchten Ihn zu beruhigen.
"Mach Dich nicht verrückt", sagten wir Ihm. "Es kann doch auch etwas harmloses sein!"
Doch kurz darauf wurden wir eines besseren belehrt. In der Klinik wurde er genau untersucht und wir bekamen das erschütternde Ergebnis: ein Krebsgeschwür hatte 3/4 seines Magens ausgefüllt und ein weiteres befand sich in seiner Speiseröhre.
Damit hatten wir nicht gerechnet.
Doch so leicht wollten wir nicht aufgeben.
Er bekam schnellst möglich einen OP Termin bei dem die Tumore entfernt werden sollten, und bei dem auch festgestellt werden sollte ob es sich um bösartige Tumore handelt.
Einige Tage später war es dann soweit. Er wurde in der Mainzer Uni operiert.
Da es keine leichte OP war, musste er die ersten 14 Tage auf Intensiv.
Ich erinnere mich noch ganz genau wie schrecklich es war in da liegen zu sehn. All die Schläuche und Kabel an die er angeschlossen war. Es brach mir das Herz ihn so da liegen zu sehn.
Doch ich war mir sicher, -"das schafft er, er ist doch so stark!!"
Es ging ihm tatsächlich bald wieder etwas besser und nach den 14 Tagen wurde er auf die normale Station verlegt. Er plante schon wann er wieder die ersten Touren auf seinem Motorrad machen würde. "Auf dem Motorrad fühle ich mich immer so frei" hatt er mal lange vor seiner Krankheit zu meiner Mutter gesagt!
Wir waren alle guten Mutes und er durfte die Klinik tatsächlich einige Tage später verlassen.
Da es sich um bösartige Krebsgeschwüre handelte, mussten Ihm die Ärzte den Magen und 1/4 seiner Speiseröhre entfernen. "Damit kann ich noch gut 20 jahre leben", scherzte er als er wieder zuhause war! Wir ahnten nicht, das es nur noch etwas mehr als 1 Jahr sein sollte. Nach seinem Aufenthalt im Krankenhaus musste er zur Reha und bekam dort zeitgleich eine schwache Chemotherapie. "Nur zur Sicherheit damit es nicht streut" hätten die Ärzte zu ihm gesagt.
Heute weiß ich das er uns nur schonen wollte.
Er vertrug das ganz mehr oder weniger gut und musste einige Monate später zu seinem ersten Nachsorge Termin.
Die nächste schlechte Nachricht: es hatte wieder gestreut!
Nun versuchten es die Ärzte mit einer richtig starken Chemo. Dadurch wurde er immer schwächer, konnte kaum noch etwas essen bzw. etwas bei sich behalten.
Wir machten uns schreckliche Sorgen, doch ihm zuliebe ließen wir uns so gut es ging nichts anmerken.
Er wurde immer dünner und die Chemo schlug laut Aussage der Ärzte nur sehr langsam an.
Nocheinmal musste er nach Heidelberg zur Langzeit Chemo. Ich weiß noch das es genau in der Woche war in der ich Geburtstag hatte. Freitags wollte ich etwas feiern, und er wusste noch nicht genau ob er bis dahin wieder entlassen wurde.
Am Telefon sagte er zu mir: "ich lass mir doch den Geburtstag von meinem Schatz nicht entgehen, ich bin auf alle Fälle da. Dann komm ich halt auf eigene Verantwortung"
Er hatte glück, die Ärzte entließen ihn rechtzeitig und gegen Abend war er dann bei uns.
"Die Ärzte können nicht mehr operieren, ich muss jetzt irgendwie damit leben!" Sagte er zu mir.
"Wenn ich Glück hab, sind es vielleicht noch 10 Jahre!"
Heute weiß ich, zu diesem Zeitpunkt war ihm klar das er wohl nur noch wenige Wochen zu leben hatte.
Er wollte kein Mitleid, denn das hätte ihm sein Herz gebrochen.
Wir hätten es niemals für möglich gehalten das er den Kampf gegen diese schreckliche Krankheit verlieren könnte.
Doch am 20. Oktober 2004 wurden wir eines besseren belehrt.
Er war zu dem Zeitpunkt zu einer weiteren Behandlung im Krankenhaus. Er sollte dort wieder etwas zu kräften kommen, denn er wog zu diesem Zeitpunkt gerade mal ca. 46kg
Ich besuchte ihn Sonntags ein letztes Mal!
Wir redeten darüber wie es ist wenn er wieder zuhause wäre, und was er noch alles erledigen wolle.
Leider kam es nicht mehr dazu.
Da die Klinik sehr weit von mir zuhause weg ist, konnte ich ihn nicht täglich besuchen.
"Dafür verwöhn ich ihn, wenn er wieder zuhause ist", dachte ich mir.
Mittwochs Mittags bekam ich dann einen Anruf von seiner damaligen Lebensgefährtin: "Dein Vater ist friedlich eingeschlafen"
Ich stand unter Schock und konnte nicht einmal weinen. Selbst an seiner Beerdigung konnte ich es noch nicht richtig begreifen.........................
"Wenn die Kraft versiegt, die Sonne nicht mehr wärmt, dann ist der ewige Frieden eine Erlösung.
Wenn die Kraft zu Ende geht, ist die Erlösung eine Gnade.
Wenn Ihr an mich denkt, erinnert euch an die Stunden in der Ihr mich am liebsten hattet" (Rainer Maria Rilke)